Oft bestaunt – nie besucht
Als Bürger der Stadt München oder des Umlandes kennt man das Olympiagelände und hat dieses bestimmt auch schon einmal besucht. In unmittelbarer Nachbarschaft liegt das in mehrere Wohngebiete eingebettete BMW Werk.
Da mich Autos und deren Technik seit jungen Jahren interessieren, war es längst überfällig, an einer Werksführung teilzunehmen. Nachdem uns Corona nicht mehr so im Bann hält, können derartige Veranstaltungen endlich wieder stattfinden.
Also ab in die U-Bahn U3 Richtung Moosach bis zur Station „Olympiapark“. Durch den hinteren Eingang in die BMW Welt erreicht man den Info-Desk um dort sein Ticket zu kaufen.
Ablauf der Werksführung
Begrüßung
In einem abgeschlossenen Besucherraum der BMW Welt wurden uns mobile Kopfhörer ausgehändigt und anschließend der Ablauf der Führung sowie die geplante Dauer und die vor uns liegende Wegstrecke (nicht barrierefrei) vorgestellt. Der nachdrückliche Hinweis, die Mobiltelefone bestenfalls auszuschalten und innerhalb des Werksgeländes KEINESFALLS in die Hand zu nehmen, wurde drohend betont, um Werkspionage zu verhindern.
Dann ging’s los, nach draußen, über die Straße, vorbei am BMW Museum und dem „Vierzylinder“ in das Werksgelände.
Stanzerei
Die erste Station war die Stanzerei. Weil das Werksgelände in unmittelbarer Nachbarschaft zahlreicher Wohnungen liegt, wurde das Gebäude in dem die Stanzerei untergebracht ist, auf riesige Federbeine im ersten Stock des Gebäudes untergebracht.
Gigantische Stanzen mit tonnenschweren Matrizen stanzen (ohne großen Lärm oder Erschütterungen) die einzelnen Karosserieteile wie z.B. Seitenteile, Dach, Motorhauben, Kofferraum, etc. aus großen Blechplatten.
Fertige Teile werden in riesigen Transportkörben abgelegt und beginnen ihre Reise durch das Gelände und die Entstehung verschiedenster Hightech Modelle der BMW Fahrzeugfamilie.
Karosseriefertigung
Durch ein Labyrinth von Aufzügen und Förderanlagen gelangen die Einzelteile zu einer ersten Roboteranlage, wo Menschen manuell einzelne Zusatzbleche anlegen. Roboter schweißen diese dann als Versteifung an die Rohteile der Karosserie.
Unser Weg führte uns weiter zum „Roboterbalett“. Obwohl ich derartige Fertigungsschritte schon in zahlreichen Dokumentarfilmen verfolgt habe, ist die Präzision, Geschwindigkeit und Perfektion dieser Maschinenanlage absolut beeindruckend. Jeder Karosserie unterscheidet sich von der vorhergehenden (je nach Modell).
Während einzelne Robote die verschiedenen Karosserieteil millimetergenau aneinanderhalten, schweißen zeitgleich zahlreiche andere diese Teile durch hunderte Schweißpunkte stabil zusammen. Funken sprühen, während die Roboterarme von außen nach innen, hinten nach vorne „flitzen“. Sind die Schweißelektroden verschlissen, holen sie sich selbstständig Ersatz.
Weit und breit war keine Menschseele zu sehen, nur Wartungsteams im Hintergrund stehen bereit, wenn ein Roboter „krank“ wird.
Lackierwerk
Nach einer kurzen Pause in einem kleinen Warteraum (etwa nach der Hälfte von Zeit und Weg) wurden uns an Hand von Modellen und Videos die Lackiervorgänge erläutert.
Danach ging’s mit Arbeitsschutzkleidung entlang der Lackierstraße. Eine beeindruckende Fertigung: Die in einem Tauchbad grundierten Karosserien fahren im Abstand von ca. 1,5 Metern auf einem Förderband und werden mehreren Robotern gleichzeitig von innen und außen mit einem feinen Sprühnebel hauchdünn lackiert.
Für jedes Fahrzeug holt sich jeder Roboter eine neue Farbkartusche, während die vorhergehende automatisch gereinigt und mit neuer (auch einer anderen) Farbe befüllt wird. So kann sogar unmittelbar nach einem Fahrzeug mit weißer Farbe das nächste in schwarz lackiert werden. Überschüssiger Nebel der wasserlöslichen Farbe wird nach unten abgesaugt, gereinigt und recycelt.
Nach der abschließenden Behandlung mit Klarlack wurde im nicht sichtbaren Brennofen die Lackierung getrocknet und eingebrannt.
Qualitätsroboter (und vereinzelt auch Menschen) überprüfen im Lichttunnel die einwandfreie Behandlung und nehmen kleinere Retuschen vor.
Motoren- und Achsenfertigung
Leider waren diese Fertigungsbereiche nicht Teil der Führung. Wer sich dennoch darüber informieren möchte, sollte sich die Videos am Ende dieses Beitrages ansehen.
Vormontage
In der Vormontage werden einzelne Teile, Aggregate und Kabelstränge je nach gewünschtem Modell von echten Menschen angebracht.
Zum maximalen Arbeitsschutz wird hierfür die Karosserie in der Längsachse gedreht und in die Höhe gehoben, wie es der Arbeiter am Band an dieser Station individuell bevorzugt. So wird die körperliche Belastung minimiert und durch regelmäßigen Wechsel der Stationen noch weiter reduziert.
Sitzherstellung
Ich konnte es kaum glauben: Die Sitze kommen nicht von einem Zulieferer, sondern werden selbst produziert. Schaumstoffe werden gefertigt und Sitzbezüge von Hand genäht.
Die Sitze fahren dann kurzfristig in ein Hochregallager, in dem sie dann auf das vorbestimmte Fahrzeug warten.
Hochzeit
In der nächsten Station konnten wir dann die „Hochzeit“ -das Zusammenführen der Karosserie und des vorbereiteten Fahrgestelles- erleben.
Millimetergenau bringen die Roboter die Teile der verschiedenen Modelle passgenau zusammen.
Endmontage
Leider ist die Endmontage nicht in der Führung enthalten. So konnten wir leider nicht miterleben, wie Armaturenbrett, Sitze, Himmel, Scheiben und Türverkleidungen montiert werden (ich denke manuell).
Prüfstand
In der letzten Station unseres Rundganges durch verschiedene (nicht alle) Werkshallen konnten wir beobachten, wie uns die Fahrzeuge auf einem langen Förderband (bereits auf „eigenen Füßen“) entgegen rollten und zuletzt mit Betriebsstoffen (Öl, Wasser, Bremsflüssigkeit, Treibstoff) befüllt wurden.
Fahrer bewegen dann die fertigen Fahrzeuge über verschiedene Prüfstände (z.B. Bremsen, Licht, Motorleistung) Richtung Hallenende.
Einzelne Fahrzeuge werden stichprobenartig herausgezogen und in einer Lärmschutzkammer akustischen Messungen unterzogen, um die Einhaltung von Grenzwerten verschiedener Exportländer zu überprüfen.
Probefahrt / Verladung
Im Freigelände des Werkgebietes befindet sich eine kleine Teststrecke, auf der jedes Fahrzeug von werkeigenen Testfahrern noch einmal „auf Herz und Nieren“ geprüft werden, bevor sie entweder im Lager auf ihren Abholer (Direktkunde), LKW Transport oder ihre Eisenbahnverladung warten.
Tickets
Einzel- und Gruppenführungen finden regelmäßig und häufig statt. Tickets sollte man auf jeden Fall im Voraus buchen. Leider ist wegen zahlreicher Fehler auf der Website nicht ganz einfach. Ich hatte mich telefonisch angemeldet, mich für einen Termin entschieden und einen Reservierungscode erhalten. Mit dem Reservierungscode erhält man dann am Info-Desk der BMW-Welt sein Ticket gegen Zahlung mit der EC-Karte (kein Bargeld!).
Mein Fazit
Beeindruckende Technik (besonders die Roboter), wenig Menschen direkt an der Fertigung beteiligt, saubere Arbeitsplätze mit einem, für eine Produktionshalle, ruhigen Lärmpegel. Absolut empfehlenswert ist diese Führung in Verbindung mit der anschließenden (kostenlosen) Besichtigung der in der BMW-Welt ausgestellten Fahrzeuge. 2 Stunden und ca. 4 km die sich aus meiner Sicht vollständig gelohnt haben. Leider durften wir aus Angst vor Werkspionage keine Fotos machen. Somit kann ich lediglich auf fremde Videos verweisen, um einen eigenen ersten Eindruck zu erhalten.
Weitere Informationsquellen (extern Youtube):